Meinecke: "Die deutsche Katastrophe"
Deutschland kann nicht gut mit Krise
11.02.2024
Deutschland kann nicht gut mit Krise. Sobald es etwas ungemütlich wird, wirtschaftlich, sozial, kulturell, verliert das Land die Nerven. Wie gegenwärtig. Probleme, die real existieren, werden übersehen: Überbordende Migration, überbordende Bürokratie, überbordende Inkompetenz. Probleme, die nicht existieren, werden umso mehr gesehen: Dominantes Patriarchat, dominanter Nationalismus, dominanter Rechtsextremismus. So war es in der Kaiserzeit und während der Weimarer Republik, so ist es auch heute.
Dass das eine typisch deutsche Eigenheit zu sein scheint, veranschaulicht brillant Friedrich Meinecke in „Die deutsche Katastrophe. Betrachtungen und Erinnerungen“. Es sind fast 180 Seiten geballte Beobachtungen, Einordnungen und Analysen. Zwar stammen sie alle aus dem Jahr 1946. Weil sie sich aber auf die Zeit des Deutschen Kaiserreichs über die der Weimarer Republik bis hin zum Zeitalter des Nationalsozialismus beziehen, sind sie historisch spannend und aufschlussreich zu lesen. Denn mit Meinecke berichtet nicht nur ein simpler Zeitzeuge, sondern einer, der über ein gewisses Bildungsniveau, und daher über ein bestimmtes Handwerkszeug verfügt. So gesellt sich zu seiner historischen Analyse auch eine soziologische und politische hinzu.
Im Mittelpunkt seiner Beobachtungen? Die Machtgier der etablierten Eliten, ihre aus Machtversessenheit entstehende Machtverselbstständigung und die Herrschaft des Massenmenschen. „Man mag nun immer wieder einwenden, daß machtstaatliches und machiavellistisches Denken nicht auf Deutschland beschränkt war, daß es bei uns vielleicht nur offener gepredigt, aber nicht stärker geübt wird. Das wird im vollen Umfange zutreffen, - aber eben die Offenheit und Nacktheit, die prinzipielle Schärfe und Bewußtheit, die Freude an rücksichtslosen Konsequenzen, die Neigung, etwas zunächst doch Praktisches zu etwas Weltanschaulichem zu erheben, - das war das spezifische Deutsche dabei und zugleich das für die Zukunft Bedenkliche, wenn diese zunächst nur theoretisch sich aussprechenden Gedanken einmal zu Waffen der Handelnden wurden“.
Diese machtbesessene und machtbeschränkte Einstellung war es, die außerstande gewesen war, zwei gegensätzliche Strömungen in der Bevölkerung zu einen. Die sozialistisch-proletarische Bewegung, auf der einen Seite, und die nationalistisch-bürgerliche Bewegung, auf der anderen Seite. Wobei Friedrich Naumann in den 1890er Jahren noch kläglich scheiterte, dabei reüssierte Adolf Hitler mit seiner Ideologie des „National-Sozialismus“ umso mehr und konnte sich so zum „Führer“ etablieren. „Und die große in der Luft liegende Idee, die Verschmelzung der nationalen und der sozialistischen Bewegung, fand an ihm ohne Frage den brünstigsten Verkünder und den entschlossensten Exekutor. Dieser sein Anteil an einer großen objektiven Idee seiner Zeit muß rundweg anerkannt werden“.
Gesellschaftliche Verhältnisse, die sich nicht an den Menschen orientierten, sondern an irrwitzigen Idealen, unterstützen diesen Prozess. Besonders die Jugend wurde hiervon betroffen. Sich in einer sensiblen Phase befindend, fühlte sie sich außerordentlich von den gesellschaftlichen Prozessen alleingelassen und entfremdet. Die nationalsozialistische Ideologie füllte dieses Vakuum, indem sie den jungem Menschen ein Gefühl von Gemeinschaft, Zugehörigkeit und Hoffnung vermittelte: „Hitler ist, kann man sagen, durch eine typische, aber zugleich verblendete Jugendbewegung zur Macht gekommen“. Der Anfang vom Ende, wie die Zukunft später zeigen sollte.
Glücklicherweise handelte es sich hierbei jedoch um ein singuläres Ereignis. „Singulär also war die Persönlichkeit, singulär die Konstellation, in der allein es ihr glücken konnte, zur Macht zu gelangen und das deutsche Volk für begrenzte Zeit auf einen Irrweg zu zwingen. Und dieser Irrweg führte auf Gebiete, in denen ein von Natur anständiger Mensch nicht lange verweilen möchte“.
Anders als die mediale Dauerbeschallung vermuten lässt, ist es zum Glück noch nicht so weit. Deutschland befindet sich zwar auf einem Irrweg. Doch die Proteste der Bauern, Bahnmitarbeiter und Gewerkschaftler zeigen: Viele möchten einfach nicht mehr durch diesen deutschen Irrweg mitgeschleift werden. Auf diesen menschenverachtenden und irrationalen Irrweg aus Sozialismus und Ökologismus. Auf diesen Weg gegen Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Individualismus, in einem Wort: gegen den westlichen Wertekanon.
Vor diesem Hintergrund erlaubt Meineckes „Die deutsche Katastrophe“ einen doch optimistischen Blick in die Zukunft - trotz der historisch katastrophalen Ereignisse, die er in seinem Werk analysiert. Denn: Wo früher ein ideologischer Nationalismus im Machtzentrum Berlins thronte, macht es sich heute eine links-grüne antidemokratisch und antiwestlich gesinnte Schickeria gemütlich. Doch nicht wie damals in einem fragilen demokratischen System, sondern innerhalb eines demokratisch starken und stabilen Systems. Und obwohl sich die Probleme hierzulande stapeln, kuschelt sich die links-grüne Elite weiter unter ihre Machtdecke ein und steigert sich in ihre phantastischen Ideologien. Wer da nicht mitmacht, wird sogleich als „Nazi“ gebrandmarkt. Die links-grünen Nerven liegen offensichtlich blank. Gut so.
Meinecke, Friedrich (1946). „Die deutsche Katastrophe. Betrachtungen und Erinnerungen“. Wiesbaden: Eberhard Brockhaus.